Last updated on 18. Dezember 2021
Aus mehreren Studien weltweit renommierter Einrichtungen wie dem Max-Planck-Institut aus München (2017!) oder dem US Centers for Disease Control und Prevention (CDC) geht belegbar hervor, welches Risiko für das Immunsystem von der Angst als Stressor und damit schwächendem Faktor durch Überreizung des Nervensystems hervorgeht.
Im oben verlinkten Hauptvideo findest du die Zusammenfassung samt CDC-Studien-Belegen des Servus-TV-Auftritts von Raphael Bonelli am 28.11.2021, der sich als Wiener Psychiater seit Anfang an mit den Psychodynamiken in der aktuellen Krise beschäftigt und fachlich sachlich im RPP-YouTube-Kanal über die Effekte aufklärt. Mit welchen emotionalen Angriffen er dabei oft konfrontiert wird, kann ich als jemand, der in einem toxischen Familiensystem aufgewachsen ist, sehr gut nachvollziehen. Das erfordert unglaublich viel Nervenstärke und Selbstreflexion, um sich davon nicht aus der Fassung bringen zu lassen.
In diesem Beitrag möchte ich den psychologischen Aspekt seines mutigen Sozialexperiments als Aufklärer der verdrängten psychischen Angstreaktionen beleuchten und den Blick dafür schärfen, wie Menschen emotional unreflektiert aufeinander reagieren und warum. Kommunikationspsychologisch könnte man dort eindrucksvoll beobachten, dass in derlei emotionsgeladenen Diskussionen ständig zwischen Inhalts- und Beziehungsebene gewechselt wird, um vom eigenen Schuldgefühl abzulenken, das mit dem Eingeständnis des Unrechthabens verbunden wäre. So werden derlei affektive Gespräche jedoch zur Farce, da sie mehr Ausdruck individueller dysfunktionaler Kommunikationsmuster und damit eigener Psychotraumata sind, als den sachlichen Blick auf ansonsten in solchen Diskussionen stets vordergründig als einzig maßgeblich richtig bewerteten Zahlen, Daten und Fakten richten.
Als psychologisch geschulter Experte auf dem Gebiet der Traumatherapie ist mir bereits aus meiner Ausbildung bekannt, dass Ängste und zugrundeliegende traumatische Auslöser dafür sorgen, dass betroffene Menschen in bestimmten Situationen immer wieder aus ihrem Toleranzfenster fallen. Das geschieht bereits durch allerkleinste Reize, die an die Urwunde erinnern, durch die der Stressor einmal verursacht wurde. Es handelt sich um unverarbeitete Emotionen, die im Körpersystem verbleiben, und den Betroffenen belasten – und das sind heutzutage fast alle Menschen, die ein Entwicklungstrauma in sich tragen, aber oft gar nichts davon wissen. Die Polyvagaltheorie, die Dr. Stephen Porges erforscht hat, handelt davon, wie unser soziales Nervensystem in bedrohlichen Situationen versagt, wenn wir uns nicht mehr co-regulieren können. Selbst- & Co-Regulation ist ein wichtiger Mechanismus, um uns selbst in Balance zu halten, so dass wir nicht bei jeder (oft ungewollten) Erinnerung an unverarbeitete Emotionen und Traumata affektiv reagieren. Dr. Peter Levine, führender Experte auf dem Gebiet der Traumaforschung, gibt in diesem Video wertvolle Tipps, wie das mit einfachen Übungen gelingt. Denn Trauma führt dazu, dass wir uns gegenseitig dafür beschuldigen, warum wir uns gerade so bedroht fühlen. Wir gehen in den Kampf- oder Fluchtmodus, oder wir erstarren sogar. Wir sind damit nicht mehr im Hier und Jetzt, sondern werden von unverarbeiteten Erlebnissen der Vergangenheit gesteuert, die uns noch heute als Schutzprogramme vor Gefahren von damals bewahren sollen. Jedoch führt das oft dazu, dass wir Situationen völlig überbewerten und mit alten Überlebensstrategien reagieren, die in der aktuellen Situation jedoch völlig unangemessen sind und geradezu erst zum Problem führen. Der österreichische Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick spricht hier von einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Er ist Vertreter des radikalen Konstruktivismus, von dem er auch unsere individuelle Wirklichkeitswahrnehmung ableitet.
Um zur Inhaltsebene des ursprünglich zitierten Interviews mit Raphael Bonelli zurückzukommen: die Reaktion der Beteiligten führt also sichtlich eindrucksvoll dazu, wie seine sachlichen und mit Studien belegten wissenschaftlichen Informationen – Angst als einer der vier größten Risikofaktoren für das Immunsystem und damit der Gefahr, schwer an einer Virusinfektion zu erkranken – auf emotional affektiver Ebene zerlegt werden und er ins Lächerliche gezogen wird. Psychologisch würde man das als Selbstüberhöhung der entsprechend argumentierenden Beteiligten (die tief in sich zu spüren scheinen, dass sie unrecht haben könnten, und die eigene damit verbundene Emotion nicht spüren wollen) oder Abwertung des mit validen Argumenten beitragenden Psychiaters bezeichnen. Emotional abwerten oder gar gaslighten (siehe dazu auch das Interview zum Thema Mobbing mit meiner Kollegin Christiane Borowy) müssen lediglich Menschen, die selbst dysreguliert sind und deshalb affektiv reagieren müssen, weil sie sich anders gerade nicht mehr zu helfen wissen.
Der damit eintretende Effekt ist, dass das soziale Nervensystem ausgeschaltet wird, da es durch die Überlastung aus der ständigen Anspannung durch Angst aus medialem und politischem Druck völlig aus dem Gleichgewicht (Toleranzfenster) geraten ist. Somit können Menschen, die unter diesem emotionalen Stress leiden, andere sozial nicht mehr richtig einschätzen und bewerten jegliche gerade nicht ins eigene Selbstbild passende (aber womöglich sachlich richtige) Information als gegen sie gerichtet. Wie im bereits oben verlinkten Beispiel von Loriot wird somit deutlich, dass der Kommunikationspartner gar nicht mehr für inhaltliche Informationen empfänglich ist. Er kann nicht mehr korrekt bewerten, ob es der andere gut oder nicht gut mit einem meint. So wird jedoch wie im Fallbeispiel von Bonelli jegliche inhaltliche Debatte ad absurdum geführt, da es gar kein Argument mehr geben kann, das den eigentlichen emotionalen Konflikt lösen kann. So laufen also an sich glaubwürdige und inhaltlich zielführende Inhalte von derart diskreditierten Gesprächspartnern völlig ins Leere und werden dabei sogar entwertet. Der gesellschaftlichen Lösungsfindung ist das aber überhaupt nicht zuträglich, da wir dadurch unsere einzigartige Fähigkeit als Menschheit aufgeben, einen Konsens aus vielen verschiedenen Perspektiven zu finden, der uns vom Reptil unterscheidet, das rein nach einem Überlebensinstinkt handelt. Darüber habe ich Anfang des Jahres bereits ausführlich im Interview mit Dr. Gerald Hüther im Podcast-Special gesprochen.
Wir laufen also wie Lemminge in der Hoffnung auf einen Retter kollektiv in den gemeinsamen Abgrund, weil wir uns von unseren Emotionen fernsteuern lassen, als uns auf unsere einzigartige Fähigkeit der Konsensfindung zu besinnen, die uns evolutionär hierher geführt hat, wo wir heute sind. Die eigentliche Gefahr ist also vermutlich gar nicht so sehr das Virus, sondern wie wir damit umgehen. Durch medial ausgefochtene Informationskriege und kollektive Angstvermeidung nehmen wir die Spaltung und Zerstörung unserer Gemeinschaft als soziale Wesen dabei wohlwollend in Kauf und tragen durch eigene Nicht-Einmischung sogar noch dazu bei. Wie schaffen wir es also gemeinsam aus diesem selbstgeschaffenen Dilemma herauszukommen und uns nicht weiter zu traumatisieren, indem wir Gesunde krank machen und Kranken verwehren nachhaltig gesund zu werden?
Darüber habe ich u.a. mit Gopal Norbert Klein gesprochen, der das Buch “Der Vagus-Schlüssel zur Traumaheilung – wie ehrliches Mitteilen unser Nervensystem reguliert.” geschrieben hat, das am 2.2.2022 erscheinen soll. Wir dürfen uns also von der Illusion verabschieden, dass wir eine kollektive Zwangsneurose, die sich durch Kommunikationskonflikte und angstbedingt ausgeschaltete soziale Fähigkeiten ins Selbstzerstörerische gesteigert hat, durch eine Injektion lösen könnten. An diesen Wahnvorstellungen ist bereits die Psychiatrie in früheren Epochen ihrer Geschichte gescheitert, als man geglaubt hat, man könne mit Lobotomie Nervenkrankheiten beseitigen oder mit Medikamenten psychische Krankheiten ein für alle Mal heilen. Ja, es ist möglich damit bestimmte Symptome zu behandeln, die traumatische Ursache ist damit jedoch nicht geheilt. Genau wie bei der mRNA-Impfung heute sind also bestimmte Heilungschancen damit verbunden, jedoch dürfen wir nie die Kehrseite der Medaille vergessen und alle aus Angst vor emotionaler Unsicherheit in Kauf genommenen Nebenwirkungen ignorieren, die das eben zwangsläufig mitbringt.
Selbstbetrug heilt nicht, er verhindert nur die unbequeme Wahrheit anzuerkennen und einen anderen Weg einzuschlagen, der zwar kurzfristig unbequemer, aber langfristig heilsamer wäre. Welche Sozialerfahrung wollen wir also in dieser geschichtlich in dieser Form noch nie dagewesene Herausforderung als soziale Rasse gemeinsam machen? Vergangenes (Falsches) wiederholen oder neue Wege gehen und uns an unsere Wurzeln zurückbesinnen, die uns erst zu sozialen Wesen gemacht hat?
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