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Wenn unsere Kinder nicht mehr sicher sind – Teil 1

Last updated on 29. September 2021

Transkript der Rede „Psychologische Sicherheit“ als Grundvoraussetzung für gesunde Entwicklung von Caroline El-Tibi gehalten beim AfA-Treffen, September 2021.

Mein Name ist Caroline El-Tibi, ich bin Mutter zweier Teenage-Töchter und selbständiger, international zertifizierter Coach.

Ich möchte gleich vorneweg sagen, ich bin kein Therapeut, kein Psychologe und auch kein Mediziner. Und trotzdem möchte ich mich heute in ein Thema hineinwagen, das all diese Fachbereiche streift. Ein Thema, mit dem ich mich als Coach immer wieder beschäftige, vor allem wenn ich mit Teams in Organisationen arbeite.

Es geht um das Thema „Psychologische Sicherheit“, ein Begriff, der vielleicht Vielen aus der Unternehmenswelt bekannt ist und aus dem Bereich Leadership und Management stammt. Er wurde von der Harvard Professorin Amy Edmondson geprägt.

Amy Edmondson definiert “psychologische Sicherheit” als eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der sich alle Teammitglieder offen äußern können, ohne beschämt zu werden, abgewiesen zu werden, oder sonst wie negativ sanktioniert zu werden.

In einem solchen Umfeld fühlt sich jeder sicher, nicht nur die eigene Meinung, sondern auch Fragen, unkonventionelle Ideen und sogar Fehler offen zu äußern.

Bekannt wurde die hohe Bedeutung von Psychologischer Sicherheit durch die von Google initiierte Studie „Aristoteles“ bei der 180 Teams daraufhin untersucht wurden, was die ausschlaggebenden Faktoren dafür sind, dass ein Team hocherfolgreich zusammenarbeitet.

Untersucht wurden u. A. die Zusammensetzung der Teams, der Führungsstil, die Persönlichkeitstypen sowie berufliche Hintergründe der Mitarbeiter.
Tatsächlich ausschlaggebend war aber nichts davon. Was ganz entscheidend war, war, wie die Teammitglieder miteinander umgingen. In guten Teams kamen alle zu Wort, der Umgang miteinander war respektvoll und Fehler wurden nicht unter den Teppich gekehrt, sondern als Lernmöglichkeiten erkannt.

„Psychologische Sicherheit“ prägte die Atmosphäre und nur so konnten sich die Potentiale der einzelnen Mitarbeiter voll entfalten.

Sie können sich sicher schon denken, warum ich mir dieses Thema für den heutigen Tag ausgesucht habe. Während ich als Coach in meiner Arbeit mit Unternehmen hervorhebe, wie wichtig Psychologische Sicherheit ist und dass sie maßgeblich zu Mitarbeiterzufriedenheit, Mitarbeiterbindung, Engagement, Innovationsfreude und High Performance beiträgt, beobachte ich gleichzeitig mit Erschrecken, wie die Psychologische Sicherheit in unserer Gesellschaft insgesamt, und ganz besonders für Kinder, in den letzten 18 Monaten abgenommen hat.

Während man vor zwei Jahren seine Meinung noch relativ frei äußern konnte, ohne negative Folgen oder Sanktionen zu fürchten, überlegt man heute dreimal, ob und was man wem gegenüber sagt. Es gibt drastische Konsequenzen für Menschen, die ihre vom offiziellen C-Narrativ abweichende Meinung äußern, sich gegen restriktive Maßnahmen stellen oder einfach nur in aller Öffentlichkeit stumm Stellung beziehen. Familien brechen auseinander, Freundschaften gehen kaputt, Nachbarn reden plötzlich nicht mehr miteinander, weil sie unterschiedliche Meinungen zum Thema haben und die eine Seite der anderen vorwirft, für die globale Misere mitverantwortlich zu sein. Zu beobachten ist auch immer wieder, wie das C-Thema als „Elefant im Raum“ steht, die Atmosphäre und die Seelen belastet und trotzdem vehement vermieden wird. Nach meiner Beobachtung ein internationales Phänomen.

100%ige Psychologische Sicherheit in einer Gesellschaft ist sicherlich eine Utopie, aber so niedrige, wie wir sie im Moment haben, ist auch extrem und sicherlich seit dem zweiten Weltkrieg in Deutschland nicht dagewesen.

Warum betrifft es nun die Kinder in außergewöhnlichem Maße?

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Einer der Hauptgründe ist das Maskentragen an den Schulen.

Wir wissen alle, dass das Maskentragen auf lange Dauer die körperliche Gesundheit beeinträchtigt, aber wie es sich auf die Psyche und das soziale Miteinander auswirkt, interessiert mich als Coach, der sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt, ganz besonders.

Zur Psychologischen Sicherheit gehört nämlich auch, dass ich die Emotionen des Anderen von Gesicht und Körpersprache richtig ablesen und einordnen kann. Evolutionsgeschichtlich sind wir so programmiert, den anderen innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde scannen und als „Freund“ oder „Feind“ einschätzen zu können. Eine Studie der Universität Bielefeld (Wegrzyn M, Vogt M, Kireclioglu B, Schneider J, Kißler J: „Mapping the emotional face: How individual face parts contribute to successful emotion recognition.“) bestätigt, dass ganz bestimmte Areale des Gesichts, und zwar hauptsächlich die Augen und die Mundregion, den Gefühlszustand des Anderen preisgeben.

Gerade in der Schule, wo der Gesichtsausdruck der Klassenkameraden und Lehrer wertvoller Indikator für Anerkennung, Ablehnung, Zugehörigkeit, Wertschätzung und Zuneigung innerhalb der Gruppe ist, ist diese non-verbale zwischenmenschliche Kommunikation und Rückkopplung mit Maske nicht mehr möglich. D.h. die Wahrnehmung der Emotionen und der spontane Austausch der Emotionen im Raum, als Coach nennen wir das das sog. Emotionale Feld, findet nur noch eingeschränkt statt.

Wenn ich also nicht weiß, in welchem emotionalen Zustand sich der andere gerade befindet, kann ich auch nicht reagieren. Das gilt für Schüler genauso wie für Lehrer.

Unser ganzes soziales Miteinander basiert aber auf unserem Einfühlungsvermögen und unserer Empathiefähigkeit. Das unterscheidet uns gravierend von anderen Spezies auf dieser Erde. Und dazu gehört nicht nur die Fähigkeit, die Emotionen und die Gemütslage des Anderen wahrnehmen zu können, sondern auch selbst zu einem gewissen Grad mitfühlen, sowie Pläne und mögliche Absichten des Anderen daraus ableiten zu können. Hierfür sind u. A. die sog. Spiegelneuronen zuständig, bestimmte Nervenzellen in unserem Gehirn, die uns dabei helfen das emotionale Grundbedürfnis der Spiegelung des Gegenübers zu erfüllen. So entwickeln Babys schon sehr früh die Fähigkeit, die Mimik der Mutter oder des Vaters nachzuahmen und Kleinkinder im Alter von 3 – 4 Jahren sind bereits in der Lage auf den emotionalen Zustand der jeweiligen Bezugsperson zu reagieren und diese beispielsweise zu trösten.

Darüber hinaus liefert uns das menschliche Gesicht natürlich noch zusätzliche wichtige Schlüsselinformationen zur Persönlichkeit und Identität, die mit Maske auch nur schwer ablesbar sind, z.B. wie alt jemand ist, wie attraktiv, ob jemand krank oder gesund, vertrauenswürdig oder ehrlich wirkt.

Entwickeln wir uns durch das Maskentragen also zu empathielosen Wesen?

Eine Frage, die es sich lohnt, weiter zu untersuchen.

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