“Denn auch die Ungeimpfte haben ein Recht auf Bildung“
Auf Wunsch der Unterzeichner veröffentlichen wir hier einen offenen Brief an die Verantwortlichen der im Titel genannten Universität. (Link zum Original)
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Prof. Dr. Paul Pauli,
mit diesem Brief möchten wir, als Studierende der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, darum bitten, ungeimpften Studierenden die Möglichkeit zu geben, nach Durchführung eines beaufsichtigten, mitgebrachten, sowie zugelassenem Selbsttests die Teilnahme am Präsenzbetrieb zu ermöglichen.
Wir haben Verständnis dafür, dass es für das Lehrpersonal der Universität aus zeitlichen wie organisatorischen Gründen nicht möglich ist, die Beaufsichtigung von regelmäßigen Selbsttests aufgrund von Personalmangel zu gewährleisten. Wie wir der „Präsidenten Podcast Folge“ (Präsidenten-Podcast 4: Das Wintersemester und Corona – YouTube) entnehmen konnten, bestehen an den Mensen Testzentren für Studierende. Dort könnten auch nach der Ablauffrist zertifizierte, mitgebrachte Tests ausgewertet und erfasst werden.
Die Zertifizierung von Testergebnissen bedarf keiner medizinischen Qualifikation, und ist zudem gelebte Alltags-Praxis: Lehrer*innen, Erzieher*innen, Betreuer*innen und selbst Studierende im Praktikum oder im Ehrenamt, dürfen Selbsttests derzeit in sämtlichen Schulen, Kindergärten und weiteren Bildungsinstitutionen beaufsichtigen. Wieso sollten dies also nicht auch Studierende an der Uni Würzburg tun dürfen?
Wir bitten daher um die Möglichkeit, unter Aufsicht von Kommiliton*innen in den Teststationen der Universität, einen mitgebrachten sowie zugelassenen Selbsttest durchführen zu dürfen.
Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Viele Studierende wissen derzeit nicht, wie sie ihr Studium fortführen sollen, sollten die Tests tatsächlich nach dem 30. November 2021 kostenpflichtig werden. Ihr Recht auf eine individuelle Impfentscheidung wäre damit in Gefahr. Die Möglichkeit der Selbstbeschaffung stellt zumindest insofern eine Übergangs-Lösung dar, als dass diese Tests für viele Studierende leichter zu finanzieren sind als die angekündigten, kostenpflichtigen PCR- bzw. Antigen-Schnelltests. Wir bitten Sie zu bedenken, dass viele Studierende bereits jetzt auf zusätzliche finanzielle Hilfe von staatlicher Seite angewiesen sind, um ihr Studium finanzieren zu können. Vor diesem Hintergrund stellt der aktuell absehbare Mehrkostenaufwand durch tägliche Antigen-Schnelltests in zweierlei Hinsicht ein studentisches Problem dar: Einerseits gefährdet er zwangsläufig die finanzielle Basis vieler Studenteninnen; andererseits kann unter dem entstehenden, finanziellen Druck womöglich das Recht auf Bildung nicht mehr uneingeschränkt wahrgenommen werden, wodurch de facto ein Ausschluss vom Unibetrieb in Kauf genommen würde.
Daher möchten wir Sie auf den – Ihnen sicherlich bekannten – Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aufmerksam machen, welcher besagt, dass jeder und jede das Recht auf Bildung hat und dass der Hochschulunterricht allen Menschen, ihrer Fähigkeiten entsprechend, offenstehen muss (vgl. Artikel 26 Menschenrechte). Weiterhin führt der besagte Artikel aus, dass „Bildung 1 auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein 2“ (Artikel 26 Menschenrechte).
Wir empfinden den de facto Ausschluss ungeimpfter Studierender als Verstoß gegen unser grundlegendes Menschenrecht auf Bildung und unsere Grundfreiheiten.
Aufgrund der Tatsache, dass sich viele Studierende die kostenpflichtigen PCR-Tests und Antigen-Schnelltests nicht werden leisten können, somit den Präsenzveranstaltungen fernbleiben müssen, betrachten wir die aktuellen 3G-Regelungen im universitären Betrieb als eindeutigen Widerspruch dazu, was Bildung uns lehren soll.
Die immer wieder vorgebrachten Argumente, dass wir uns lediglich impfen lassen müssten greifen zu kurz und werden unserem Recht auf Selbstbestimmung nicht gerecht.
Weiterhin wurde neben den Kernforderungen der AEMR das Strukturelement der Zugänglichkeit festgelegt, welches besagt: „Keinem Menschen darf der Zugang zu Bildung rechtlich und faktisch verwehrt werden.“ (https://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/zukunft-bildung/156819/menschenrecht Stand: 14.10.2021).
Wir berufen uns hiermit auf unser Recht gleichberechtigten Zugang zu Bildung zu erhalten. Des Weiteren bestehen wir auf die uns zustehenden Grundfreiheiten und das Menschenrecht auf Bildung und appellieren an Sie, unsere Rechte auch weiterhin gleichgestellt wahrnehmen zu dürfen.
Wir bitten Sie, unseren Vorschlag im jetzigen Testzentrum der Universität, einen durch Studierende eigenverantwortlich beaufsichtigten, mitgebrachten sowie zugelassenen Selbsttest durchzuführen, als Kompromiss anzusehen, bis sich die Gesetzeslage wieder normalisiert und keine derartigen massiven Grundrechtseinschränkungen unser Leben bestimmen.
Des Weiteren gibt es ohnehin keinerlei rechtliche Grundlage, Studierenden die Möglichkeit von Selbsttests unter Aufsicht zu verwehren. Für die Hochschulen in Bayern wurde das Dokument: „Corona-Pandemie: Rahmenkonzept für Hochschulen“ bereitgestellt (BayMBl. 2021 Nr. 669 – Verkündungsplattform Bayern (verkuendung-bayern.de). Diesem ist in Punkt 2.2.c zu entnehmen, dass:
„ein 1 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassene3, unter Aufsicht vorgenommene3 Antigentest zur Eigenanwendung durch Laien (Selbsttests), der vor höchstens 24 Stunden durchgeführt wurde, zu erbringen 4.“
Da der durchgeführte Selbsttest laut des Rahmenkonzeptes schriftlich bestätigt sein muss, haben wir, um ihren Organisationsaufwand so gering wie möglich zu halten, ein Muster mitgeschickt (Muster am Ende des Briefes). Dieses Zertifikat wird in Bayern derzeit stark frequentiert und reicht als schriftlicher Nachweis eines zugelassenen Selbsttests für Laien aus. Oben rechts ist ein Feld erkennbar, das dann von studentischen wissenschaftlichen Hilfskräften oder anderen Kommilitoninnen ausgefüllt werden könnte.
Damit wäre dann eine für Studierende gerade noch bezahlbare Vor-Ort Testung gewährleistet.
Analog zum Schulbetrieb könnten die Testungen dreimal die Woche zu bestimmten Uhrzeiten durchgeführt werden. Was in Schulen selbstverständlich möglich ist, sollte problemlos auf den universitären Betrieb übertragbar sein.
Wir halten fest: Das Rahmenkonzept zur Corona-Pandemie, welches den Hochschulen in Bayern als rechtliche Grundlage für die Anordnung von Maßnahmen dient, spricht sich nicht gegen eine Zertifizierung von Selbsttests vor Ort aus.
Dementsprechend müssten wir es als Diskriminierung bewerten, sollte die Universität Würzburg unsere moderate Bitte ausschlagen.
Auf Basis des Prinzips der Chancengleichheit, nach welchem Differenzen der Bildungsteilnehmer* innen nicht zu Ungleichheitspositionen führen dürfen, appellieren wir an Sie und Ihre Kompromissbereitschaft im Rahmen der gemeinsamen Pandemie-Bewältigung.
Ebenfalls möchten wir Sie auf das Gleichstellungskonzept hinweisen, in dem die Universität explizit für Chancengleichheit wirbt (https://www.youtube.com/watch?v=o7wlJvZrtNg&t=81s). Wir hoffen sehr, dass unter Ihre Definition von Chancengleichheit auch die Inklusion ungeimpfter Studierender fällt.
Denn auch Ungeimpfte haben ein Recht auf Bildung.
Es ist ein zweifellos historischer Moment, in dem jede Universität im Rahmen des vorgegebenen Konzepts für sich entscheiden kann, ob sie später Wurzel oder aber Gegengewicht der neu entstandenen Bipolarität und damit verbundenen Diskriminierung der Pole Geimpft – Nicht-Geimpft sein möchte. Ob Sie die Schaffung einer gesellschaftlichen Differenzordnung toleriert und sogar begünstigt oder im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten auch für den Schutz der Rechte Ungeimpfter eintritt.
Wir wären stolz und dankbar, an einer Universität studieren zu dürfen, die sich aktiv für eine gemeinsame, inklusive Bewältigung dieser schwierigen Situation einsetzt.
Mit freundlichen Grüßen,
die Gemeinschaft der geimpften und ungeimpften Unterzeichner
ENDE DES OFFENEN BRIEFS
Weiterhin wurden wir gebeten diese damit in Verbindung stehende Petition dazu zu veröffentlichen
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