Last updated on 10. Juni 2021
In dieser Spezial-Folge spreche ich mit Prof. Dr. Michael Meyen, der 1967 auf Rügen geboren wurde und 1988 in Leipzig noch in der DDR begann Journalismus zu studieren. Während der Wende kam er dann zur Medienforschung und arbeitete zunächst bis 1997 selbst als Journalist und Nachrichtenredakteur in der Tagespresse, beim Hörfunk und beim Teletext.
Nach seiner Promotion und Habilitation dozierte er zunächst in Leipzig und Halle, seit 2002 nun an der Ludwig-Maximilians-Universität in München im Fach Kommunikationswissenschaft. Schwerpunkte seiner Forschung und Lehre sind u.a. Journalismus und Medienorganisation. Als Buchautor hat er u.a. „Breaking News: Die Welt im Ausnahmezustand: Wie uns die Medien regieren.“ (Westend, Frankfurt 2018) und „Das Erbe sind wir. Warum die DDR-Journalistik zu früh beerdigt wurde. Meine Geschichte.“ (Herbert von Halem, Köln 2020) veröffentlicht.
In diesem Interview sprechen wir unter anderem darüber, wie er mit seinem Blog „Medienrealität“ Schwierigkeiten bekommen hat und später für einen im Vorfeld kontrovers diskutierten VHS-Vortrag zum Thema „Das Versagen des Journalismus in der Corona-Zeit“ unter Druck von außen geriet. Warum es ihm lieber gewesen wäre, als Wissenschaftler nur Beobachter zu bleiben und auf Twitter-Angriffe als „Antisemit“ und „Verschwörungstheoretiker“ verzichtet hätte und wie ihn sein Interview bei KenFM zum Rücktritt von dem bis dato von ihm geleiteten Forschungsverbund „Zukunft der Demokratie“ gezwungen hat – diese Fragen klären wir. Auf was es in großen Medien ankommt, wie der Auftrag Öffentlichkeit in einen Würgegriff aus Kommerz, Politik und Moral gekommen ist und was der Imperativ der Aufmerksamkeit im Ausdruck unserer Wertegemeinschaft bedeutet, erfährt der geneigte Zuhörer hier.
Meyen erläutert uns, welche Bühnen es in der Medienlandschaft gibt, wodurch bestimmt wird, welche man wann betreten darf, wie der Rundfunkrat im öffentlich-rechtlichen Rundfunk funktioniert und die Vertragsverhältnisse, das Wohlverhalten und die persönlichen Verbindungen von Journalisten und Funktionären darüber bestimmen, wer überhaupt wo eingeladen wird oder in welcher Position landet und was in den Medien letztlich veröffentlicht wird. Am Beispiel des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder erklärt er uns plakativ, wie Medialisierung ungeahnte Wege ebnet, um eine positive mediale Darstellung zu bewirken und durch bewusste Inszenierung ein positives Bild in der Öffentlichkeit erzeugt wird.
Wir sprechen über die Unterschiede von ÖR-Rundfunk und anderen Medien, was Verantwortungsverschwörung bedeutet und welchen großen Graben der Wahrheitsbegriff aufreißt. Was ist unser Anspruch an den öffentlichen Raum? Was sind Voraussetzungen dafür? Wie bereinigen Regulierer und Diskurswächter im Hintergrund den Medienmarkt? Warum führt das unter anderem zu Löschungen und Kontensperrungen etwa auf YouTube? Was ist die Rolle der Leitmedien vs. Oppositionsmedien, warum fällt es allein so schwer, den Begriff dafür korrekt zu wählen (alternative/unabhängige/moderne Medien) und warum können wir die Realität der Leitmedien schlicht nicht ignorieren? Herrschaftsverhältnisse seien laut Meyen heute Definitionsmachtverhältnisse und die Wahrheit als Übereinstimmung von Aussagen mit der Wirklichkeit Aussagen eines Wahrheitsregimes, das von Menschen gemacht sei. Wie es Wikipedia geschafft hat, dass dessen Inhalte inzwischen für Wahrheit gehalten werden, und warum selbst das Bundesgesundheitsministerium durch eine Kooperation mit Google Einfluss nimmt, ist Inhalt unseres ausführlichen Gesprächs.
Es geht um externalisierte Konflikte und Kontaktschuldvorwürfe, warum Redaktionen homogener geworden sind und weniger Streit aushalten müssen, warum Schnelligkeit in der Berichterstattung als Kollegenorientierung tituliert wird und wie durch das Internet dieses Abschreiben zur Homogenisierung des Mainstreams führt. Wie das den Relevanzbegriff und die heutige Medienrealität ebenso wie die Rolle von Bildern definiert, durch die heute wie früher mit der Angst als Treiber gespielt wird, erfahren wir hier. Wie Investigativjournalismus heute funktioniert, welche Visionen sich daraus entwickeln lassen und wie akademisches Wissen im Gegensatz zum Bürgerwissen steht, das er in einem Bürgergutachten mit dem Media Future Lab erheben möchte, erklärt uns Meyen. Abschließend erklärt er, dass wir deshalb verstehen müssen, dass die öffentlich-rechtlichen Medien nicht vollständig den privaten oder politischen Interessen überlassen werden dürfen.
Ich bedanke mich bei Prof. Dr. Meyen außerordentlich für dieses überaus aufschlussreiche und spannende Interview über seine Erfahrungen und Einblicke in die uns oft so eindeutig scheinende, aber doch undurchsichtig wirkende Medienwelt.
Links: www.ifkw.uni-muenchen.de/personen/professoren/meyen_michael/index.html
Biografisches Lexikon der KW: blexkom.halemverlag.de/
Das mediale Erbe der DDR: medienerbe.hypotheses.org/
Media Future Lab: medialabs.hypotheses.org/
Medienrealität: medienblog.hypotheses.org/
Foto: © Ekkehard Winkler
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