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Ihr habt es gewusst!

Last updated on 20. September 2021

Mein Rückblick auf Pfingsten in Berlin – eine Woche danach

Das ist ein Kommentar. Kein journalistischer Bericht. Als Betroffener kann man nicht neutral berichten. Und ich bin betroffen. Getroffen. Jetzt nach einer Woche kann ich es in Worte fassen.

Pfingsten in Berlin war bei weitem nicht das, was ich mir von diesen vier Tagen erhofft hatte. Bereits beim Empfang des Auto-Korsos wurde das mangelnde Interesse der Berliner offensichtlich. Bis die Fahrzeuge ankamen, waren vielleicht 50 maximal 100 Teilnehmer an dieser Abschlusskundgebung zu sehen. Und die wurden von der Polizei massiv unter Druck gesetzt.

Und dann nahmen die Platzverweise, Attestwegnahmen und die gezielte In-Maßnahmen-Setzung von bekannten Teilnehmern zu – ohne die Anwälte und einige Kameras wäre hier schon ein erstes „Schlachtfest“ entstanden. Und wir hatten bei weitem nicht die zahlenmäßige Macht, dem auch nur im Ansatz etwas entgegen zu setzen. All das – obwohl wir enorm kooperativ und regelkonform agierten, von der Bühne immer wieder auf die Einhaltung der Regeln hinwiesen und auch unsere eigenen Ordner dementsprechend auf die Teilnehmer einwirkten. Schließlich wollten wir dokumentieren, dass wir – für unser Grundrecht auf Versammlungsfreiheit – auch bereit waren, unerwünschte Regeln in Kauf zu nehmen. Es half nichts.

Am Samstag eskalierte dieses traurige Spiel der Staatsmacht beim Versuch, für die nicht untersagte Abschlusskundgebung am Stern die LKW-Bühnen aufzubauen. Aufgrund von – ich nenne es mal Polizeiwillkür – konnten die Bühnen nicht wie geplant aufgestellt werden. Im Gegenteil. Die LKWs wurden konfisziert.

Damit waren – nach den vier Demonstrationszügen – alle Kundgebungen für den Samstag unterbunden – und auch unsere Versuche, rechtlich dagegen vorzugehen, wurden seitens der Staatsmacht einfach abgeblockt. Die Beschwerde beim Landesverfassungsgericht wurde erstmal einfach nicht entgegen genommen. Nett, nicht wahr?

Überraschte mich das? Ja. Ich war naiv. Ich glaubte bis Pfingsten 2021 noch an den deutschen Rechtsstaat. Seit Mai 2020 hatten wir mehrere Demonstrationen in guter Kooperation mit der Versammlungsbehörde abgewickelt. Ob Kündigt Ramstein oder die Schweigemärsche – unsere Orga-Truppe war in der Behörde bekannt für kooperative und korrekte Abwicklung. Ich konnte und wollte einfach nicht glauben, dass sich das System die Blöße geben würde, so offensichtlich Selektion zu betreiben. Autobahnprotest, Mietpreisbremse – gute Demo, kein Infektionsrisiko. Systemkritik gegen die Pandemie-Maßnahmen – böse Demo, hohes Infektionsrisiko.

Ich war naiv. Glaubte an Grundwerte – und habe gelernt: Der Rechtsstaat ist Vergangenheit.

Im Moment laufen die Bilder der Brüsseler Demo über alle Kanäle – und die Menschen freuen sich, dass sie demonstrieren durften. Schöne Bilder, gute Stimmung, die eigentlich Freude machen sollten. Auch wenn ich mich für die Demonstranten freue, mich machen sie nur traurig.

Was frustriert mich daran? Dass ich mehrfach lesen muss: Warum in Berlin demonstrieren, wir gehen nach Brüssel! Dort zu protestieren, wo es die Mächtigen gnädigerweise zulassen, ist in meinen Augen kein Protest, sondern eine Bestätigung des Unrechtsstaates.

Lenin hatte so recht: „Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte !“

Ich war naiv. Glaubte an die Kraft des Widerstands – und habe gelernt: Untertanen demonstrieren nur mit Genehmigung.

Zu sagen „Berlin findet statt, so oder so“ hat für mich bedeutet, dass ich auf der Straße bin. Erlaubt oder nicht. Ich danke allen (3.000-10.000) Menschen, die den Mut hatten, trotz des Verbotes auf die Straße zu gehen. Ich bin vielen großartigen Menschen mit Mut begegnet, manche kannte ich, manche sind hinzugekommen.

Hätten 500.000 Menschen ähnlich gedacht und gehandelt wie ihr, hätten sie uns mit ihren 3000+ Polizisten nicht so jagen können. Auch die 13 Wasserwerfer hätten ihnen wenig genutzt. Wir hätten ein Zeichen gesetzt.

Das Zeichen, das von Pfingsten in Berlin für mich ausgeht, ist, dass der Rechtsstaat nicht mehr existiert. Der großen Mehrheit der Deutschen ist das aber völlig egal ist. Das muss ich akzeptieren.

Das System hat bewiesen. Es ist nicht 5 vor 12, es ist 12.33 Uhr.

Wer weiter wegschaut … darf hinterher nicht behaupten, es nicht gewusst zu haben.

IHR HABT ES GEWUSST.

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Norbert Voß
Norbert Voß
1 Jahr zuvor

Auch meine Sicht, Andrea!
Demos sind passé. Der immense Aufwand an Zeit und Geld der ORGA?
Ingrid Steger hat mal gesagt: “Ich mach mir einem Schlitz ins Kleid – und find das wunderbar.”
Demokratie bedeutet für viel zu wenige, dass jeder und jede mitmachen muss. Nur innerhalb der eigenen Möglichkeiten – aber niemals nur gehorchen!

Vikki
Vikki
1 Jahr zuvor

“Andrea Drescher, Jahrgang 1961, lebt seit Jahren in Oberösterreich”
Demonstrieren Sie doch bitte in Oberösterreich und lassen Sie uns Berliner in Ruhe. Wir haben nämlich mehrheitlich die Nase voll von den aus allen Ecken herangekarrten Corona-Leugnern. Die Dutzende Demonstrantionen, die hier sowieso schon jedes Wochenende stattfinden, reichen uns voll.

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