Last updated on 19. Oktober 2021
Als ich vor ca. 15 Jahren für die UNO einen kleinen Auftrag in Vietnam erledigte, hatte ich viele Gelegenheiten, das politische System und die Gedanken einfacher Menschen dazu kennen zu lernen. Was mich dabei besonders überraschte war, dass man mir verschiedene Strömungen innerhalb der Kommunistischen Partei erklärte, welche Unterschiede aufzeigten, die sich ähnlich anhörten wie, natürlich in anderer Beziehung, Unterschiede der staatstragenden Parteien in Deutschland. Andererseits, so versicherte man mir, hätten unabhängige Kandidaten, die über ihr unmittelbares Umfeld wo sie wohnten und arbeiteten, gewählt wurden, einen immer größeren Zuspruch. Und man versicherte mir, dass dies die Kommunistische Partei Vietnams noch vorsichtiger gegenüber unpopulären Maßnahmen werden ließ. Schlimm sei die wahnsinnige Korruption, aber die Partei würde sich niemals wagen, gegen die Interessen der Massen zu verstoßen.
Zurück in Deutschland musste ich daher oft unwillkürlich die beiden politischen Situationen vergleichen und machte das auch öffentlich. Was zu einem Shitsturm führte und mich kurzzeitig zum Rechtsextremen, dann wieder zum Kommunisten machte. Nun hat die Corona-Krise vielen Leuten gezeigt, dass es tatsächlich eine riesengroße Koalition der staatstragenden Parteien gibt, wenn es um grundsätzliche Fragen geht, welche die Macht der Parteien begrenzen könnte. Aber durch das Theater der Wahlkämpfe, bei dem es meiner Meinung nach nur darum geht, welcher Darsteller, welches lukrative Amt erhält, wird alle vier Jahre dem Wähler vorgegaukelt, er könne die Richtlinien der Politik bestimmen, indem er die eine oder andere Partei wählt.
Interessanterweise ist dies nun keine Verschwörungstheorie mehr. Boris Reitschuster hat dazu einen interessanten Artikel geschrieben:
“Wer bislang sagte, die politischen Parteien ähneln sich und die Unterschiede in den wesentlichen Fragen seien verwachsen, musste damit rechnen, wechselweise oder synchron als Verschwörungstheoretiker oder als „rechts“ (= rechtsradikal) hingestellt zu werden. Das Gleiche galt für diejenigen, die von einer grünen Hegemonie sprachen. Und nun das! Gestern stellte ich in Berlin auf der Bundespressekonferenz Annalena Baerbock und Robert Habeck genau dazu zwei Fragen. Und sie bestätigten in ihren Antworten faktisch genau das, was gestern noch als Verschwörungstheorie galt. Baerbock hält mit 15 Prozent Stimmenanteil einen allgemeinen Wählerauftrag für eine „besondere Rolle“ bei der Regierungsbildung für erteilt. Habeck sagt recht unverblümt, dass die alte „politische Lagerwelt“ nicht mehr existiere. Ich halte beide Aussagen für so wichtig, dass ich hier meinen Wortwechsel mit den beiden Parteichefs im Wortlaut wiedergebe – damit Sie besser zwischen den Zeilen lesen können (anzusehen sind die Aussagen hier 1).” Weiterlesen bei Reitschuster: 2
Es ist schon seltsam, dass wir seit dem Erscheinen des Buches “Auf dem Weg zum Einparteienstaat” von Wolf-Dieter Narr im Jahr 1977 bis heute benötigten, bis sich diese Tatsache langsam rumspricht.
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